Speaker-Wechsel? Wie und lohnt es sich überhaupt?
Die Antwort auf die brennende Frage vorn weg: Lohnt es sich? Ja, unbedingt! Und das Gute dabei: es dauert echt nicht lang. Bei meinem allerersten Versuch habe ich nur zwischen 40 und 60 Minuten gebraucht, es hat alles beim ersten mal geklappt und viel falsch machen konnte man auch nicht. Vielleicht einiges noch besser, aber an sich ist der Speakerwechsel kein Hexenwerk.
Hintergrund des Speaker-Wechsels
Es gibt Gitarristen, die zurecht darauf verweisen, dass sich die zupfende und Plektren schmeißende Zunft darin verlieren kann
- über Röhren zu diskutieren (6L6 > EL34! Anyone else?),
- sich von einem Head zum nächsten durchzugraben,
- Tonabnehmer zu fetischisieren (sollja Leute geben, für die es nur EMG oder nichts gibt, Andere gehen auf DiMarzio ab, wieder andere sind da offen und dann gibt es ja noch die Bare Knuckle Humbucker…)
- Pedallabyrinthe zu bauen
und dabei zu vergessen, welche große Rolle die Speaker spielen. Und ja, ich muss zugeben, dass ich bisher auch dazu gehörte! Während ich bei Röhren schon durchaus meine Präferenzen habe (erwähnte 6L6 und KT77, auch wenn die in Amps zuhause sind, die ich mir nie leisten werde) und meine Gitarrensammlung mittlerweile durchaus was hergibt (siehe Hardware-Setup), habe ich mir bis vor kurzem keine Gedanken über meine Speaker gemacht. Die Harley Benton G212 hat verlässlich ihren Dienst verrichtet und das Peavey Extension Cab gab es ja auch noch. Nachdem mir letzteres anfangs etwas zu dumpf war, habe ich mich mehr und mehr mit den Blue Marvel Speakern angefreundet und von einem Tag auf den anderen dachte ich:
Verdammt, die G212 plärrt. Da kommt zwar viel Aggressivität raus, aber kein definierter Ton. Die Peavey Box ist dagegen aber eher für Rock als für Metal gemacht, tief und rund, aber nicht so gerade heraus. Was nun?
8 Jahre war alles okay, plötzlich aber gingen mit die aggressiven High-Ends auf die Nerven!
Nach einiger Recherche musste ich feststellen: Es geht einigen so. Manche finden den Klang der Harley Benton G212 (ohne Vintage ;)) richtig geil, anderen geht das „Geschreie“ auf die Nerven. Einig sind sich nur alle, dass die Box an sich absolut geil ist und die Qualität des Gehäuses für die Preisklasse außergewöhnlich. Also mussten dann wohl oder übel einfach neue Speaker her statt sich auf Kleinanzeigen durch verschiedenste Boxen zu testen um die klasse Box an sich nicht zu verlieren.
Die Wahl fiel dann auf die Celestion G12T-75, die neben den Celestion G12 Vintage 30 ziemlich weit verbreitet in den Boxen vieler nahmenhafter Hersteller sind und zu meiner Recherchezeit relativ bezahlbar auf Kleinanzeigen zu haben waren. Ich habe dann eine ältere originale UK Celestion G12T-75 sowie zwei neue China G12T-75 erstehen können und mich entschlossen einfach einen Mix aus UK und China zu wagen, dazu später mehr.
Anleitung zum Speaker-Wechsel
Möchtest auch Du Deinen Speaker wechseln um Deinen Sound zu verbessern oder auch einfach nur zu verändern, weißt aber nicht wie? Dann möchte ich hier mit einer Schritt-für-Schritt Anleitung gern Hilfestellung geben. Ich selbst hatte durchaus Respekt vor dem Versuch und habe bei YouTube nach Videos gesucht um danach festzustellen, dass es doch eigentlich ganz einfach ist. Wie gesagt, ich habe nicht einmal eine Stunde gebraucht und das Ergebnis kann sich wirklich sehen und noch viel mehr hören lassen
Schritt 1 – Die richtigen Speaker finden
Dieser Schritt nimmt wahrscheinlich am allermeisten Zeit ein, wenn Du nicht von Anfang an festgelegt bist. Nicht wenige Gitarristen legen sich von Anfang an auf die Celestion G12 V30 fest, die als sehr gute Allrounder gelten und das ganz sicher auch sind. Auch Harley Benton bietet bspw. seine G412A gegen einen merklichen Aufpreise schon seit langem mit Celestion V30 an, auch bei der Harley Benton G212 gibt es diese Option mittlerweile. Auch andere Anbieter wie Palmer, Engl und viele mehr sind unter den Verbauern.
Für viele sind Celestions und vor allem die V30 einfach die Lösung und das ist auch vollkommen ok. Allerdings kosten die V30 auch dementsprechend. Zum Zeitpunkt des Speakerwechsels kostete eine Celestion V30 neu rund 140€. im Vergleich dazu habe ich rund 150€ für die drei Celestion G12T-75 gezahlt und ich bin richtig happy mit den Speakern. Was ich damit sagen will: Legt Euch nicht unbedingt von Anfang an fest sondern lasst Euch auch mal inspirieren, was so angeboten wird.
Ich schwankte zwischen Peavey Speaker und den Celestions, habe mir aber auch andere Brands angeschaut. Zuverlässige Brand mit guten Speakern sind unter anderem
- Celestion
- Eminence
- Jensen
- Warehouse
- Speakernetwicklungen fpr nahmenhafte Amphersteller wie Peavey, Marshall, evh, Mesa Boogie, etc, meist aus deren Cabs oder noch viel häufiger Combos ausgebaut
- viele mehr, ich bin hier sicherlich nicht der Experte mit der umfassendsten Meinung
Nimm Dir die Zeit, such Dir interessante Speaker aus Deinem Preissegment heraus und recherchiere. Es gibt zu nahezu jedem Speaker Test, Hörbeispiele, YouTube Demos, Forendiskussionen… Es kostet Zeit, aber das Ergebnis ist es wert.
Schritt 2 – Box öffnen

Dann mal ran an den Speck: einmal tief durchatmen und los geht’s. Als allererstes muss die Box, sollte sie sich von hinten öffnen lassen, auf die Vorderseite gedreht werden. Klingt logisch, ist aber nicht immer so.
Wie über in der Musiktechnik gibt es auch hier Glaubenskriege, wie eine Box gebaut sein muss. Neben der Bestückung der Box mit den richtigen Lautsprechern und der Nutzung des richtigen Holzes ist für den Klang noch entscheidend, ob eine Box Front- oder Rearloaded ist und Closed oder Open. Rear- und Frontloading haben einen direkten Einfluss auf den Druck des Tones, da es einen Unterschied im Schwingungsverhalten macht, ob Speaker von hinten gegen ein Brett oder von vorn gegen eine Halterung geschraubt ist. Je nach Verschraubung gibt es logischerweise eine andere Auftaktbewegung. Open und Closed dagegen haben eine direkte Auswirkungen auf die „Fülle“ des Klangs. Bei Open Cabinets geht ein Teil des Tones nach hinten raus, wird von der Wand reflektiert und kommt dann mit leichter Verzögerung zum eigentlichen Ton vorn an. Das führt dazu, dass es eine größere Tonfülle gibt, der Ton einfach breiter und voluminöser wirkt. Dafür kann es aber auch zu Überlagerungen bzw. ungewollten Hall- oder Phaser-Effekten kommen. Dieser Effekte und Klangbeeinflussung ist vor allem bei niedriger Verzerrung und cleanen Verstärkern oftmals gewollt. Je höher der Gain-Grad, je schneller die Rhythmen und je mehr mit Muting gearbeitet wird, desto eher wollen die meisten Gitarristen einen „geraden“ Klang, „in your face“, direkt, verlässlich und schnell in der Reaktion nach dem Anschlag. Dafür ist es wichtig, dass der Ton nur einen Weg aus der Box kennt: nach vorn. Daher sind viele Cabinets vor allem für High-Gain Closed Cabinets während viele Combos aus dem Low-Gain Segment eher Open sind.
Aber zurück zur Anleitung: während frontloaded Cabinets von vorn geöffnet werden müssen und dafür die Bespannung bspw. mit Hilfe von Meißeln, Spachteln oder Schraubenziehern herausgelöst werden muss, musste ich meine Box nur auf die Vorderseite drehen und an der Rückwand jede Menge Schrauben lösen. Wichtig dabei: die Schrauben der Anschlussplatte lösen und diese durch die Öffnung (es gibt mehr als genug Spiel bei der Kabellänge zum manövrieren) vorsichtig in die Box legen.
Erst dann die Rückwand lösen um keine Schäden an den Anschlusskabeln zu verursachen.
Ist die Rückwand ab, sind wir auch schon am eigentlichen Arbeitsort angelangt.
Schritt 3 – Speaker einzelne lösen
Als nächstes müssen die Speaker gelöst werden. Es empfiehlt sich hier erst einen Speaker komplett auszuwechseln anstatt gleich alle (in diesem Fall Beide) Speaker zu entnehmen und dann bei der Verkabelung in Unsicherheit zu geraten. Es hilft natürlich auch schnell ein Foto mit dem Smartphone zu machen, dabei die Kabel nach dem Wechsel auch wieder am selben Pol landen. Ein vertauschen der Kabel sollte an dieser Stelle nicht zu Schäden an den Speakern führen, aber ggf. tu Phasenproblemen samt negativer Klangfolgen und -Auslöschungen.
Je nach Verarbeitung der Speaker kann es sein, dass die Kabel per Lötkolben von den Polen der Speaker gelöst werden müssen. Dann müssen im Nachgang die dann geschmolzenen Klemmen abgeschnitten und die Kabel entsprechend gekürzt und neu entmantelt werden um dann mit neuen Klemmen die Kabel an der neuen Speakern zu verlöten. In meinem Fall hatte ich Glück, die Kabel samt Klemmen ließen sich mit etwas Fingerspitzen auch so von den Speakern lösen, sodass ich mir die Schritte des Löten und der Kabelverkürzung sparen konnte. Zum Glück, denn zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich weder Klemmen noch ein Lötgerät im Haus hatte…
Schritt 4 – Speaker einzeln ersetzen
Sind die Schrauben und die Kabel des Speakers gelöst, kann der Speaker ganz einfach von der Platte genommen werden. Hierbei wird einem erst einmal bewusst, wie schwer diese Bauteile eigentlich sind. Es kommt natürlich drauf an, welche Box Du besitzt, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass der größte Teil des Gewichts einfach von Deinen zwei (oder einem oder vier) Speakern kommt.
Wenn Du den ersten Speaker ersetzt und die Kabel wieder verbunden hast (in meinem Beispiel der Linke), dann wiederholst Du Schritt 3 und 4 einfach nach einander bis alle Speaker getauscht sind.
Wie gesagt, absolut kein Hexenwerk, eigentlich relativ easy und trotzdem irgendwie ein cooles Gefühl, wenn man es geschafft hat. Ich empfehle dabei aber auf jeden Fall schrittweise pro Speakern vorzugehen.
Schritt 5 – Gitarrenbox wieder verschließen
Und damit haben wir es eigentlich auch schon! Jetzt kommen noch ein paar „hausmeisterliche“ Handgriffe.
Einfach die Platte wieder von hinten auf den Amp legen, ggf. noch in Position schieben sodass die Schrauben auch wieder ihre Fassung finden, aber im Normalfall sollte alles so passig sein, dass es gar keinen großen Spilraum für die Platte gibt. Dann wird die Anschlussplatte wieder durch die Öffnung der Rückwand geführt und verschraubt.
Als allerletztes wird die Rückwand an sich verschraubt und voila, das war es auch schon.
Schritt 6 – Spaß haben!
Als ich die Box nach dem Umbau angestöpselt habe, war ich ja echt gespannt. Hat sich der Aufwand gelohnt? Der Geldinvest? Das Risiko irgendwas kaputt zu machen? Ohja, es hat sich gelohnt. Ich habe sofort beim Clean Ton gemerkt, dass sich mir eine völlig neue Klangqualität eröffnet und beim High-Gain Ton habe ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Alles war klarer, definierter. Die Low-Ends waren sehr viel präsenter durch einen unaufdringlichen aber doch wahrnehmbaren Bass, das Schreien in den High-Ends war verschwunden. Das Gitarrenspiel war sofort viel akzentuierter, Akkordwechsel wurden direkter und sauberer wahrgenommen, Riffs waren deutlich klarer. Alles in allem ein klarer Gewinn und ich möchte meine Celestion G12T-75 jetzt schon nicht mehr missen.
Spannend war auch der Test UK vs China Celestion. Da gibt es ja auch wieder ganz harte Glaubenskriege und da ich nur einen UK Celestion ergattert habe, aber zwei China Celestions habe ich einfach mal testweise einen etwas ältere G12T-75 aus UK mit einem neueren G12T-75 aus China kombiniert. Ich kann dabei ehrlicherweise keine großen Unterschiede raushören. Der UK Celestion Speaker ist ggf. etwas basslastiger und weniger singend, aber diese Unterschied habe ich mir auch erst beim dritten Hörtest eingebildet. Von daher: Wenn Ihr könnt, greift ruhig auf UK Speaker zurück, aber die Chinavarianten sind definitiv nicht schlecht und genauso nutzbar 🙂





