Randall RM100 mit entfernten MTP Modulen

Wer hat nicht schon immer davon geträumt einen Boutique Amp à la Bogner, Friedman, Soldano, Diezel oder „wenigstens“ High-End-Amps der großen Marken wie Randall (Satan, Thrasher, KH103), Mesa Boogie (Triple Rectifier, Badlander, Mark V), Engl (Invader, Powerball, Savage), Peavey (6505) und weitere zuhause zu haben. Ach was, einer… Mehrere… Und so sehr ich mittlerweile von einigen digitalen Amp-Simulationen wie dem von mir für Produktionen genutzten IK Multimedia AmpliTube 5 auf Grund der Vielfältigkeiten der Bearbeitung, dem Sitz im Mix und generell der Flexibilität auf Grund der schieren Menge an grandiosen Ampmodellen überzeugt bin, desto mehr Spaß macht es halt doch seine eigentlich viel zu schwere und für zuhause überdimensionierte riesen Amp-Kiste anzuschmeißen und den Druck zu spüren, den dann doch nur Röhren kreieren.

Warum Röhren-Amps?

Und das bringt uns zur nächsten Frage: Warum eigentlich Röhrenamps?

Es ist wohl unbestritten, dass Röhrenamps in der Klangcharateristik bisher unerreicht sind. Neben Röhrenamps gibt es ja noch andere Systeme, die alle ihre Berechtigung haben, so Solid State mit seinen Vorteilen in der Halbbarkeit, da sich eben die Bauteile nicht so wie die Röhren abnutzen, Hybrid Amps, die versuchen die Haltbarkeit von Solid Amps mit der Klangcharateristik der Röhrenamps zu verbinden, oder digital gesteuerte Modeling-Amps, die durch leistungsstarke Prozessoren versuchen ihre analogen Vorbilder nachzuahmen und dabei eine unglaubliche Vielfältigkeit auf Grund von eingebauten Effekten und großen Sounddatenbanken bieten. Aber wie bei den meisten Fußtretern kommen Soundfans immer wieder an den Punkt feststellen zu müssen, dass analog digital in der Liveperformance dann doch noch schlägt. Es ist auch kein Zufall, dass digitale Modelling-Amps und -Software versucht analoge Röhrenverstärker zu emulieren.

Auch wenn durch immer leistungsstärkere Prozessen die digitale Klone immer näher an den reinen Klang von Röhrenamps heran reichen, die Dynamik, die Reaktion auf die Anschlag des Gitarrenspielers, Nuancen in der Klangentwicklung, Tiefe und Wärme im Klang und vor allem auch Punch und Tiefe im (extremen) High-Gain können sie dann doch nicht simulieren.

Lohnen sich Markenamps wirklich?

Wer durch mein Hardware-Setup scrollt, wird feststellen, dass ich ein großer Bugera Amplification Amps Fan bin. Zwar besitze ich keine Gitarrenboxen von Bugera (wobei das auch nicht schlimm ist, da die beiden Boxen von Peavey und Harley Benton mit selbst getauschten Speakern einen Wahnsinnsjob machen), aber immerhin vier (High-Gain) Amps, wovon drei (333XL, 6262, G5) seit vielen Jahren gute Dienste leisten, einer (TriRec) den besten Gitarrenton produzierte, den ich jemals gespielt habe (inkl. Blackstar, Engl und Marshall Amps auf Konzerten), aber leider schon zum zweiten Mal in die Reparatur muss. Wenn man das so liest, stellt sich natürlich die Frage, ob sich Markenamps wirklich lohnen.

Die Antwort daraus aus meiner Sicht: Jein!

Bugera spaltet die Gemüter, von großen Befürwortern bis abgrundtiefen Hassern gibt es da alles. Aus meiner Sicht macht Bugera aber sehr viel richtig. Für den Heimgebrauch, aber auch den Proberaum und die Bühnen in Jugendzentren und kleineren Clubs bieten diese Amps alles was man braucht bei einem unschlagbaren Preisleistungsverhältnis. Vom Klang her muss sich der TriRec (wenn er denn mal halten würde….) nicht hinter einem Mesa Boogie Rectifier verstecken, der 333XL ist definitiv nicht schlechter als so mancher Peavey (ist ja quasi auch einer) oder Marshall, der G5 ist nicht schlechter als das Blackstar Original und der 6262 braucht den Vergleich mit dem 6505 nicht zu scheuen. Gerade, wenn man etwas Geld in die Hand nimmt und die Bugera-Stockröhren austauscht, werden die allermeisten Gitarristen bei einem Blindtest keinen Unterschied hören. Nimmt man dann noch den Einfluss von Speakern (hier geht’s zur Anleitung für Speakerwechsel) und Gitarren hinzu, dann könnte man durchaus argumentieren, dass das Geld besser in ein Upgrade der Boxen und der GItarre investiert wird als in den Markenamp, zumindest wenn es einen Bugera-Klon gibt. Immerhin kosten 100 Watt Bugera Amps zwischen 500€ und 800€ statt 1500€-3500€.

Also sind Boutique- und Markenamps völlig unnötig? Faktisch gesehen vielleicht schon, wenn man nicht gerade Arena auf großen Touren tourt und 50 bezahlte Auftritte im Jahr spielt. Bei gut geplegten Amps im Wohnzimmer oder Proberaum mit 20-30% maximaler Leistung wird man die Unterschied kaum bis gar nicht hören und merken.

Aber es gibt dann halt immer noch den emotionalen Faktor. Die originalen Amps strahlen natürlich etwas aus, die Marken haben sich über viele Jahre etabliert und ihren Ruf erarbeitet, ohne die Originale und ihre Innovationskraft gäbe es natürlich auch die Kopien nicht. Und am Ende des Tages hofft man natürlich, dass die teuren Original auch haltbarer sind, auch wenn bei Bugera die Haltbarkeit von Unkaputtbar bis zu „bloß nicht anfassen“ variiert.

Der Wunsch einen (oder mehrere) „echte“ Markenamps zu besitzen, ist also durchaus nachvollziehbar und legitim und trotzdem muss sich natürlich jeder Fragen, wie viel dieses Hobby am Ende wert ist. Mit dem MTS System gibt es eine vergleichsweise bezahlbare, wenn auch weiterhin nicht günstige, Alternative um sich entsprechende Amps ins Haus zu holen.

Was ist das MTS System?

Bereits zu Beginn des Jahrtausend hat Randall in Zusammenarbeit mit Bruce Egnater ein modulares Amp-System auf den Markt gebracht. Die Idee: Es braucht nur einen Amp (oder auch Preamp im Rig, je nach Setup) und durch den Einsatz von einfach durch Steckverbindungen austauschbaren Vorstufenmodulen mit verschiedenen Schaltkreisen kann eine schier unendliche Tonvielfalt erreicht werden. Neben original Randall Modulen, die nichts kopierten, wurden auch Copy Cat Module gebaut – unlizensiert und damit ähnlich wie bei den Bugeras nur „nah dran“ am Original. Im Jahr 2012 hat Randall dann die MTS Series beendet und Egnater Amplifications selbst hat modulare Amp Systeme rausgebracht. Nachdem auch diese beendet wurden, hat sich 2016 mit Synergy der aktuelle große Player in diesem Bereich breit gemacht und tatsächlich qualitativ noch einige Schippen bei den Modulen draufgelegt.

Während bei Randall die Module noch einfach selbst gebaut wurden und so ähnlich wie Amp xy klingen sollten, baut Synergy die Amps in Kooperationen mit und lizensiert von den originalen Herstellern. Und so finden sich neben ein paar eigenen Modulen auch original Fryette (Deliverance, Pitbull), Bogner (Ecstasy, Uberschall), Diezel (VH4, Herbert), Engl (Savage, Powerball), Friedman, Morgan, Saldano, Peavey (6505), Dr. Z (ZWreck) Module im Angebot. Alle unter Mitarbeit der Original Sounddesinger und lizensiert von den Brands. Die Module kosten neu zwischen 350€ und 500€, für einen leeren Amp mit 1-2 Modulslots werden schnell über 1300-1500€ fällig. Ganz günstig kommt man hier also nicht davon, so richtig lohne sich da System eigentlich erst, wenn man mindestens 2 High-End Amps kombinieren möchte, dann aber schnell richtig. Für den Preis eines Diezels bekommt man hier dann einen Diezel + einen Soldano.

Gebrauchte Randall MTS Heads (wie meinen Randall RM100), die manche sogar als die besseren Amps ansehen, gibt es dagegen auch schon mal ab 750€ mit Stock Modulen. Diese kommen klanglich meist nicht annähernd an die Synergy Module heran (haben ja auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel uns Synergy hatte genug Zeit dazu zu lernen), bilden aber die Basis für Mods. Und hier kommen dann Moder wie Salvation Audio aus Tschechien ins Spiel. Für 250€-350€ modded Antonin Salva original Randall Stock Module zu exakten Nachbildungen von bekannten Markenamps. Dazu gehören der Diezel VH4 (Modul Benzin), verschiedene Orange Amps (Mandarine), Randall Satan (Sathanas), Engl Powerball (Angel E), Mesa Boogies Dual Rectifier (Dread Plate) und Mark Series (MarkUs), Bogner Amps (Shiver, Xtacy), Saldano (Salvado) aber auch etwas ausgefallenere wie Labogas Mr. Hector (Mr Boga) und weitere. Außerdem gibt es noch für 50$ das MDA Mod, dass die Endstufe und die globale Klangsteuerung der Randall Heads modifiziert um noch mehr rauszuholen. Für den Preis eines 6505 habe ich am Ende einen Randall Satan, einen Orange OR120 und einen Mesa Boogie Lone Star. Das kann sich sehen lassen.

Natürlich muss bei den MTS Systemen beachtet werden, dass es sich bei den Modulen um die Preamp Schaltkreise geht. Die allermeisten Amps shapen ihren Sound auch genau dort und die Endstufe ist zwar wichtig für Punch und Tiefe, rundernden Sound aber „nur“ ab. Es gibt aber Amps wie den VH4 von Diezel, deren Sounds in der Endstufe noch sehr definiert werden. Das sollte man im Hinterkopf behalten. Salvation Audio weist beim Benzin ausdrücklich darauf hin, dass der Sound durch die 6L6 oder EL34 im Randall her variieren wird, Synergy hat versucht durch Modifikationen am Modul dem entgegen zu wirken. Am Ende bleibt es natürlich ein Kompromiss, wenn sich drei High-End Pre-Amps eine Endstufe teilen. Aber diesen Trade-Off muss und kann man eingehen.

Das tolle an diesem System ist, dass man sich nicht entscheiden muss. Die Macher haben darauf geachtet, dass die Randall MTS Module auch bei Synergy kompatibel einsetzbar sind, die Synergy Module sind (mit Abstrichen, nur ein von zwei Kanälen) auch im Randall MTS einsetzbar. Allerdings gibt es auch hier Mods um die Zweikanaloption zu enablen. Hier heißt die Devise also Mix & Match. Mit der Bandbreite von Synergys Originalmodulen und den perfekten Mods von Salvation Audio (die vielleicht sogar noch einen Ticken geiler sind), ist es möglich sich den Traum von 2-3 Boutique Amps im Wohnzimmer zu erfüllen.